Was als Kind Angst gemacht hat, wurde die beste Art, sich auszudrücken

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Mittwoch, 24. August 2011

Zungenspaltung - Eine Bodymod die's in sich hat!

Hallo liebe Freunde der Bodymodification!
Wie ich bereits in meinem letzten Post angekündigt habe, habe ich mich letzte Woche einer Bodymodification unterzogen. Der Name sagt alles: Eine Zungenspaltung.
Nun werde ich euch ganz ausführlich von der Spaltung berichten und von den Tagen danach. Ich denke, dass das einige schon sehr interessieren könnte ;)

Das muss gut überlegt sein...
Es gibt viele Dinge, die einen Menschen zu einer Bodymodification bewegen können. Bei mir war es, wie bei Piercings auch, genau so: Ich hab es gesehen - ich fands es einfach geil - ich musste es haben. Am Anfang meiner 4. Woche an Bord des BodyShips kam das erste Mal der Gedanke auf, als Ben mich fragte: "Was interessiert dich eigentlich mehr - die Piercings oder Bodymodification?". Meine Antwort kam sofort wie aus der Pistole geschossen: "Bodymodifications!". Natürlich - ist ja auch ein interessantes Thema. Auch ich spielte schon länger mit dem Gedanken, mich einer Bodymod zu unterziehen...Ein Cutting wollte ich nicht, für so lange Schmerzen bin ich einfach zu zimperlich ;) (leider, leider...aber wer weiß, vielleicht ändert sich daran auch noch was!). Und dann sah ich bei youtube ein Video von einem Mädchen mit Zungenspaltung. Die Tricks, die sie zeigte, faszinierten mich genau so wie die zwei Zungen an sich. Ich sah es - ich fand es geil - ich musste es haben.
Mit diesem Gedanken ging ich sofort zu Ben...und er fand die Idee klasse. Ich wollte es mir aber auf jeden Fall noch länger überlegen und begann, mich im Internet zu informieren...über Betäubungsmöglichkeiten, die Schmerzen danach, die Heilung und alles was dazu gehört. Sicher - manche Sachen, die man im Internet liest, können abschreckend sein! Aber es ist sehr wichtig, sich zu informieren und sich sicher zu sein, dass man die Bodymod auch wirklich will. Denn die meisten sind nicht rückgängig zu machen!!!
Irgendwie hatte ich aber die ganze Zeit im Hinterkopf: Bleib ruhig! Wahrscheinlich ziehst dus eh nicht durch!

Der Tag X - "Hab ichs grad echt durchgezogen?!"
Donnerstag letzte Woche war es dann doch soweit. Am Abend sollte die Bodymod gemacht werden, aber ich war total entspannt, kein bisschen aufgeregt. Zuerst wunderte ich mich sehr darüber, aber dann wurde mir klar: Es war wegen Ben. Ich vertraue ihm mehr, als ich je einem anderen vertraut hatte, was solche Sachen anging. Ich wusste: Er ist ein Profi, er hat das schon öfter gemacht, ich bin in verdammt guten Händen. Das ist auch eine wahnsinnig wichtige Sache! Ihr müsst eurem Body-Artisten vertrauen! Dann werdet ihr euch auch wohlfühlen!
Zuerst einmal musste ich Mittags in die Apotheke laufen, um noch ein paar wichtige Sachen zu holen. Unter anderem Tamponaden (diese Wattestückchen, die der Zahnarzt auch benutzt!) und ein Schmerzmittel für mich. Dabei ist sehr wichtig zu beachten: Nichts wie Aspirin, das verdünnt das Blut zu sehr! Tabletten, die man nicht auflösen kann, eignen sich auch eher schlecht...die kriegt ihr dann kaum noch an der geschwollenen Zunge vorbei ;) Ich empfehle Granulat, entweder mit Ibuprofen oder Paracetamol! (Ich hab Ibu genommen und es hat gut geholfen!).
Etwa eine Stunde bevors losgehen sollte, habe ich angefangen, Eiswürfel zu lutschen. Das schließt die Gefäße und dann blutet ihr nicht so stark und so lange...das macht die Sache viel angenehmer. Eine halbe Stunde vor dem Split habe ich dann ein Glutamat genommen, damits anfängt zu wirken, wenns los geht. Und dann wars auch schon so weit!
Zur Betäubung kann ich sagen: Ein Piercer an sich darf keine lokale Betäubung (also Spritze und so) geben, außer er hat eine Zusatzausbildung. Eine Idee ist Emla-Salbe. Die wirkt zwar nur oberflächlich, zieht bei Schleimhäuten aber ein Stückchen weiter ein. Alles betäubt war dann natürlich nicht, aber der Schmerz war auch nicht so schlimm, wie man ihn sich vorstellt.
Meine Sachen wurden mit einem OP-Tuch geschützt, dann wurde meine Zunge an beiden Seiten mit einer Klemme fixiert (das drückt ganz schön, denn sie muss wirklich fest geklemmt werden!), damit ich nicht wegzucke. Und dann hat Ben auch schon das Skalpell in die Mitte meiner Zunge gesteckt und nach vorn gezogen. Ich habe mich anfangs ziemlich erschreckt und bin zusammen gezuckt. Natürlich tat der Cut weh, aber es war auszuhalten. Nur das eklige Gefühl danach, wenn sich der Mund mit Blut füllt, ist unangenehm. Schluckt es am besten nicht runter, sondern lasst es auslaufen! Sonst wird euch schlecht!
Nachdem ich es ein bisschen hab auslaufen lassen, hat Ben mir immer wieder neue Tamponaden zwischen die Zungenhälften gesteckt, die volllaufen konnten. Ich konnte nicht mehr als "mhhh mhh" machen und mir war auch noch ein bisschen schlecht. Bis Ben sagte: "Hey, deine Zungen haben schon nach den Tamponaden gegriffen!" Da wurde mir auf einmal bewusst, dass ich es wirklich durchgezogen hatte! Sofort wanderte mir ein zufriedenes Grinsen ins Gesicht, worüber die Anwesenden (Ben, Katja, die die Zangen gehalten hat und ein Freund, der das ganze gefilmt hat) ebenfalls grinsen mussten.
Als die Tamponaden nicht mehr so voll liefen, steckte Ben mir nur noch eine dazwischen und ich durfte gehen...nicht ohne sterile Handschuhe, eine Pinzette und ganz viele Tamponaden mitzunehmen. Denn wechseln musste ich!

Die erste Nacht!
Natürlich könnt ihr am ersten Abend nichts essen. Ich musste mich sogar zum Trinken zwingen, weil alles ziemlich weh tat, was an die aufgeschnittene Zunge kam. Aber ihr müsst den Blutverlust ausgleichen, also trinkt!!! Dann habe ich mit ProntoLind Munddesinfektion gespült und eine neue Tamponade reingetan! Es tut ziemlich weh, die bis nach hinten zu drücken, aber es ist wichtig, damit die Zunge in der Nacht nicht wieder zu wächst!
Dann habe ich mich - ziemlich k.o. - schlafen gelegt. Ich habe versucht, immer auf dem Rücken zu liegen, dann rutschte nämlich die Tamponade nicht immer heraus. Schmerzen hatte ich kaum, also konnte ich schnell einschlaufen. Zuerst schlief ich von 0 Uhr bis 5, dann nochmal von 6 bis 9. Hatte also kaum Probleme, mit dem Schlafen. War eigentlich alles ganz angenehm :) Und damit hatte ich auch schon das Gröbste überstanden!

Sonntag, 21. August 2011

Die Geschichte geht weiter!

Ich muss mich entschuldigen, dass ich so lange nichts geschrieben hab. Die letzte Woche war etwas nervenaufreibend und es gibt eine ganz tolle Neuigkeit! Aber die werdet ihr erst im nächsten Post erfahren, der sicher auch heute oder Morgen kommt ;) Da werde ich dann ganz ausführlich über meine neue Bodymodification berichten...
Aber heute erstmal der Bericht über meine 2. und 3. Woche an Bord des BodyShips ;)


Die erste Schmerzprobe!
Am Anfang der zweiten Woche hatte ich erst einmal mit einem kleinen Problem zu kämpfen: Mein Nostril hatte sich richtig böse entzündet...leider war viel zu früh ein Ring hinein gekommen und dann war es auch noch falsch gestochen geworden und nun hatte ich mit einer ekligen Vereiterung zu kämpfen. So kam ich am Dienstag mit einem ziemlich geknickten Ausdruck auf Arbeit.
Mein Chef sah sich die Misere natürlich sofort genau an und entschied: Das muss raus! Schon allein den Klemmkugelring zu öffnen und den Ring aus dem Loch zu drehen war wahnsinnig schmerzhaft und voller Verzweiflung bettelte ich Ben an, ob wir das Loch nicht einfach zuwachsen lassen und neu stechen könnten. Da der Stichkanal mittlerweile abgerundet war, war es fast unmöglich den Schmerz zu ertragen, wenn ein Labret (auch wenn es nur aus PTFE war) durch zu drücken...Natürlich ging das nicht, sonst wäre der Eiterherd mit zugewachsen und ich hätte noch schlimmere Schmerzen gehabt! Um mir nicht noch schlimmere Schmerzen zuzufügen, schnitt Ben einen PTFE-Hufeisenring halb und steckte ihn mir in die Nase....tat nicht weh und ich musste nur aufpassen, dass er nicht rausfiel ;) Danach ging die Heilung ganz schnell wieder vonstatten! (Er ist halt ein Profi! Kein Wunder dass ich ihm so vertraue :))

...und die wunderschöne Entschädigung!
Drei Tage später ging es meiner Nase schon viiiiiel viel besser und der Schmerz war schon längst wieder vergessen! Und dennoch bekam ich am 5. August noch ein besonders schönes Geschenk! Ich habe ja bereits geschrieben, dass ich ein Tattoo habe. Es sollte eine Ode an meine Lieblingsband Static-X sein! Und an mein Lieblingslied "The Only". Aber der Tätowierer (unfähiger Wicht, grrr.....) hat ein Wort vergessen und das ärgerte mich schon seit Januar diesen Jahres! Nun hatte Conne, unser sehr talentierter Tätowierer, ein Erbarmen mit mir und meiner traurigen Schulter und schlug mir ein Cover-up vor. Es sollten Blumen werden, mit der Zeit noch farbig, die am Ende den ganzen Murks abdecken sollten. Er fing an und ich war nach 2 Stunden mit dem vorläufigen Ergebnis wirklich zufrieden....Ich freue mich darauf, wenn es in zwei Wochen endlich weitergehen kann :) Schulter ist allerdings eine sehr schmerzvolle Stelle....überlegt es euch also gut und schminkt euch vorher besser nicht! :D Ich hab durch meine ganze Gesichtsgymnastik (nein, ich hab nicht geheult^^) nämlich alles verschmiert :D

Nur ein Arm voller Anchor ist ein vollständiger Arm!
...das scheint zumindest die Ansicht unserer lieben Katja zu sein! Wie ich euch im letzten Post berichtet hab, durfte ich ihr einen Dermal Anchor in den Arm machen...sie hat ein Tattoo auf dem Arm mit über 10 Sternen und einer war nun ausgefüllt. Aber das reichte nicht! Deshalb nahmen Ben und ich uns am Montag Abend meiner dritten Woche ein bisschen Zeit, um ihren ganzen Arm, jeden einzelnen der 13 Sterne, zu anchorn. Wir benutzten die neuen Dermal Punchs und Einweg-Skalpelle, wechselten uns immer ab...und am Ende unserer Arbeit funkelte Katjas Arm einfach nur wahnsinnig schön! :) Es war ein ganzes Stück Arbeit, aber es hat sich sowas von gelohnt...das hat nicht jeder!! Um endlich auch mal zu wissen, wie es ist, ließ ich mir am Tag drauf einen Anchor hinters Ohr setzen. Leider stand er etwas ab, weil ich zu wenig Haut an der Stelle hab, und wir mussten den Anchor wieder entfernen....aber nun kann ich euch wenigstens von dem Gefühl berichten: Es tut kaum weh! Man spürt einen Druck, wenn die Haut zusammen gepresst wird und dann ein kurzes Ziehen, das aber mehr unangenehm als schmerzhaft ist...alles nur halb so schlimm :)

"Du denkst, das war alles? Da hast du dich aber geschnitten..."
Unsere liebe Katja! Eine Sache gab es da noch, die sie unbedingt haben wollte! Und die auch Ben ihr machen sollte! Ein Cutting! Und zwar sollte es ein Revolver an der Wade sein. Unglaublich. Nicht nur, dass ich von der Spontanität und dem Mut von Katja total beeindruckt war...es war schon wieder einer Sache mehr, die ich lernen konnte, bei der ich dabei sein und assistieren durfte! So viel hatte ich in meinem ganzen Leben noch nicht gelernt, wie in diesen drei Wochen!!
Also tat Ben es! Katja wurde auf der Liege platziert, es wurde eine Vorlage auf die Haut gemacht und dann begann mein Chef zu schneiden, mit einem spitzen Skalpell. Ganz langsam schnitt er Linien in Katjas Haut, erst die Außenlinien, dann die Feinheiten. Wie ihr auf dem Bild sehen könnt, wurden auch größere Hautpartien "ausgeschnitten", wie zum Beispiel am Abzug. An diesen Stellen wurde das Hautstück umrahmt und dann gecuttet.
Ich hielt die ganze Zeit Katjas Hand und kann aufgrund der Festigkeit ihres Drucks und ihrer späteren Erzählungen ganz gut beschreiben, was ihr wohl am meisten weh getan hat: Die Außenlinien hat sie ganz gut verkraftet, sie wurden erst nach einer ganzen Weile unangenehm bis schmerzhaft. Wirklich schlimm weh taten ihr die größeren Partsm die heraus gecuttet wurden. Laut ihrer Aussage waren die "wirklich fies!" ;)

Und so endete meine dritte Woche! Und damit wieder einmal eine Woche in der ich dachte: Mehr kann nicht kommen! Langsam muss doch mal Schluss sein, noch geiler kanns nicht werden...doch, wie ich bereits am Anfang erwähnt habe: konnte es doch! Ich habe mich dazu entschieden, meinen Körper modifizieren zu lassen....aber dazu im nächsten Post ;)

Stay modified,
Anne.

Montag, 15. August 2011

Meine erste Woche...


Die erste Woche ist die aufregendste. Es ist wirklich so. Alles ist noch neu und frisch, man erfährt viele neue Dinge und beginnt zu lernen. Als ich an diesem Montag die ersten Schritte in den Laden machte, über dessen Tür groß die Worte "Sin City" prankten, hatte ich trotz allem noch nicht die geringste Vorstellung, was mich alles erwarten würde. An diesem Tag. In dieser Woche. In den darauf folgenden Wochen. Vielleicht kann ich mich nicht mehr an jedes klitzekleine Detail erinnern, das ich jeden Tag erlebt habe. Dafür waren es immer zu viele Eindrücke. Aber ich kann euch noch einiges berichten, was ich bereits in der ersten Woche lernen durfte...und machen durfte.

Hoffnung ist der Anchor der Welt.
Eins der wichtigsten Dinge im Werdegang zur Piercerin bzw. zur Body-Artistin ist, eigenständig zu lernen. Ob es darum geht, Namen und Orte von Piercings, Bezeichnungen von Schmuck oder Techniken theoretisch zu lernen. Das muss man können, das muss man einfach drauf haben. Aber was auch unablässig zum Lernprozess gehört: Zuschauen.
Ich erinnere mich noch genau an die erste Kundin, die in meiner Zeit den Laden betrat. Ein eher unscheinbares Mädchen, das einen Dermal Anchor auf der linken Brust wollte. Ich wusste zwar theoretisch, um was es sich handelte, war aber auch wahnsinnig neugierig darauf, das endlich mal live zu sehen. Und so sah ich das erste Mal, wie Ben vorsichtig den Puncher in die Haut eines Menschen drehte, ihn wieder heraus zog, die heraus gestanzte Haut entfernte, mit dem Anchor eine Hauttasche formte und ihn dann unter die erste Hautschicht schob. Zurück blieb nur der Stein, der auf der Haut auflag. Es war so wahnsinnig schnell gewesen und ein prüfender Blick auf das Gesicht des Mädchens hatte mir gezeigt, dass sie ihre Mimik nicht verändert hatte. Auf meine Frage lächelte sie und meinte: "Nein, es tat nicht weh. Hat nur ein bisschen gedrückt!" Und dann sah sie in den Spiegel und betrachtete glücklich ihr erstes Piercing. In diesem Moment wusste ich: Das will ich auch! Einen Menschen mit so etwas glücklich machen!
Diese Gelegenheit bekam ich dann auch tatsächlich schon an meinem dritten Arbeitstag.
Unsere Tattoo-Auszubildende wollte sich einen Anchor machen lassen, in einen ihrer Sterne am rechten Arm. Neugierig wie immer sah ich meinem Chef dabei über die Schulter. Und dann - ein Moment, den ich sicher nie vergessen werde - drehte sich Ben zu mir um und sagte: "Desinfizier mal deine Hände, du machst das jetzt!" Zum zweifeln blieb keine Zeit, also Handschuhe an, desinfizieren und mit zitternden Fingern ans Werk. Ben blieb die ganze Zeit an meiner Seite, erklärte mir geduldig jeden Schritt und ließ mich meine ersten Schritte auf dem Weg zur Body-Artistin machen. Als ich den Anchor unter die erste Hautschicht gesetzt hatte, durchströmte mich das erste Mal dieses Gefühl. "Ich habs gemacht! Ich hab jemandem ein Piercing gemacht!" Dieses wahnsinnig tolle Gefühl konnte nur durch ein anderes übertroffen werden. Dieses zufriedene Grinsen von Ben, ein Schulterklopfen und dieser Satz: "Ich bin stolz auf dich!". Mittlerweile hat er das schon öfter zu mir gesagt...und immer noch hat es diese Wirkung auf mich. Es ist ein unglaubliches Gefühl, wenn ein Mensch, den man so bewundert, stolz auf einen ist.

Selbstversuch macht schön.
Schon einen Tag später sollte ich noch einen Schritt weitergehen und mein erstes Piercing stechen...im Selbstversuch. Es war ein Tag, an dem nicht sonderlich viel los war im Laden. Ben und ich hatten schon vorher darüber geredet, was für Piercings ich an mir selbst noch geplant hatte...unter anderem wollte ich meine Ohrlöcher erneuern, die schon lange zugewachsen waren. Und an diesem, meinem vierten, Tag sagte Ben, dass ich mir die Ohrlöcher doch rein theoretisch selbst machen könne.
Im ersten Moment war ich geschockt bei dem Gedanken, mir selbst eine Nadel durchs Ohr zu stechen. Ben ließ mir Zeit...und er ließ mir die Wahl. Aber ich wusste, dass das für mich ein wichtiger Schritt war und wollte ihn gehen. Wie immer war Ben an meiner Seite, mit jeder Menge Tipps und einer ruhigen Hand, um meine zitternde festzuhalten...damit auch nix krumm und schief lief ;-)
Es kostete mich einiges an Überwindung, die Nadel wirklich durch mein Ohr zu stechen....aber kaum war sie durch (mit einem erschrockenem Zusammenzucken von mir - "Hab ich das grad wirklich getan?!"), merkte ich wieder dieses glückliche Gefühl, das mich auch nach meinem ersten Piercing durchströmt hatte. Für viele ist es vielleicht normal, sich selbst Ohrlöcher oder andere Piercings zu stechen...aber ich mit meiner Angst vor Nadeln, die ich seit meiner Kindheit hatte (ganz schön ironisch, für eine Piercerin, nicht wahr?!), habe damit einen wichtigen Schritt getan, was meine Selbstüberwindung angeht. Ein selbstgestochener Anchor und zwei Piercings - aber das war noch lange nicht alles, was ich in dieser Woche lernen sollte.

Wenn man ins Fleisch schneiden muss, muss man beim eigenen Fleisch anfangen.
Will man den Beruf eines Body-Artisten ausführen, sollte man die nötige Passion dafür haben. Sonst wird man irgendwann - und ich denke so verhält es sich mit ziemlich vielen Jobs - unglücklich. Und ich habe selten einen Menschen gesehen, der so eine Leidenschaft für seinen Job hegt, wie Ben es tut. An jedem neuen Kunden kann man erkennen, dass er seinen Beruf liebt und dass er wie dafür geschaffen ist. Aber es gibt ein riesiges Tabu bei ihm: Nie lässt er jemanden an seine Haut ran! Viel zu kostbar, das gute Stück. Ich kann ihn sehr gut verstehen. Man kann selbst kontrollieren, was man tut...aber wie kann man sich darauf verlassen, dass andere immer alles richtig machen? Und dann noch an der eigenen Haut?
Und so kam es, dass er in meiner ersten Woche, am Freitag um genau zu sein, beschloss, sich selbst ein subdermales Implantat zu setzen. Das ist ein Implantat, das man sich direkt unter die Haut setzt, sodass man nur noch den Abdruck darunter sieht (und auch fühlen kann!). Während er sich selbst mit dem Skalpell einen Schnitt in den Arm machte, erklärte er mir wieder geduldig, wie alles abläuft, was man beachten muss und so weiter. Und somit war das dritte, das ich in meiner ersten Woche im Laden lernte, der Ablauf eines subdermalen Implantates. (Ich werde im Laufe der Zeit ein paar Videos hinzufügen, um euch die Sache besser erklären zu können.)

Damit endete eine wahnsinnig spannende Woche, meiner Meinung nach viel zu früh. Ich hatte so viel gelernt und so viel gesehen...und die Reise hatte doch gerade erst begonnen!
Aber vor allem lernte ich in dieser Woche eins: Sollte ich meine Ausbildung abgeschlossen haben...sollte ich es wirklich schaffen, irgendwann Body-Artistin zu werden...dann wollte ich unter allen Umständen so werden wie Ben. Denn in dieser ersten Woche wurde er mein Mentor.

Anne.

Sonntag, 14. August 2011

Wie ich zur auszubildenden Body-Artistin wurde...


Es war Mittwoch, der 13. Juli, als alles begann. Vollkommen ungeplant.
Ich hatte am Morgen eine Klausur für die Uni geschrieben, sie war einigermaßen gut gelaufen und das sollte auch belohnt werden! Schon seit einiger Zeit hatte ich eine Spirale in meiner Lippe, die mir aber viel zu groß war. Also beschloss ich an diesem Morgen nach der Klausur, loszuziehen und mir eine neue zu kaufen, meine Freundin Antonia im Schlepptau.
Hier bei uns in Halle gibt es einige Tattoo- und Piercingläden. Wenn man keine Ahnung hat, probiert man eben aus, so war schon anfangs mein Motto gewesen. Drei Läden hatte ich bereits ausprobiert, diese Entscheidung hatte ich regelmäßig bereut. Im ersten Laden habe ich mir ein Tattoo stechen lassen, ein Spruch aus meinem Lieblingslied. Der Tätowierer hat ein Wort vergessen. Im zweiten Laden habe ich mir ein Industrial und ein Nostril stechen lassen, im dritten einen Ring ins Nostril setzen lassen. In beiden war es so, dass die Piercer entweder scheinbar keine Ahnung hatten, was sie da taten, oder wahnsinnig unfreundlich waren und mich abfertigten, als wäre ich kein echter Kunde, sondern irgendwas vom Fließband.
So etwas wollte ich nicht unterstützen und auch nicht wieder erleben. Sagen wir: mein Vertrauen zu Piercern und Tätowierern war ein bisschen gestört. Dementsprechend unsicher war ich auch, als ich den ersten Schritt in den vierten Laden in Halle setzte: "Sin City".
Das war der Tag und der Moment, in dem ich Ben das erste Mal traf, der Inhaber des Piercing- und Bodymod-Bereiches "BodyShip" im Laden "Sin City". Er schenkte mir ein freundliches Lächeln und machte sich damit sofort symphatisch. Ich wurde wahnsinnig nett aufgenommen, gleich zu Anfang, als wäre ich schon seit Jahren Stammkundin. Innerhalb weniger Minuten hatte ich eine perfekt sitzende Spirale in der Lippe und war so gut behandelt worden, wie noch nie in einem solchen Laden (was eigentlich traurig ist, aber so landete ich schließlich bei Ben!)
Schicksalhafter Weise (ich weiß, das klingt wirklich unglaublich kitschig, aber irgendwie sehe ich es doch so!) begann es in diesem Moment vor der Ladentür zu schütten wie aus Eimern und Ben bot uns an, eine Weile hinzusetzen und auf das Ende des Regens zu warten. Wir bekamen einen Kaffee und Ben setzte sich mit uns auf die Couch. Ich kam mit ihm ins Gespräch und wir redeten eine Weile über die Piercings, die ich mir noch wünschte. Er versuchte ein bisschen, mir ein Dermal Anchor aufzuschwatzen, worüber ich auch wirklich nachzudenken begann...und dann sagte ich einen Satz, der doch irgendwie einschlug wie eine Bombe: "Ich wünschte, ich könnte auch mal ein Piercing stechen. Das wär so cool."
Ja, ich hatte Piercer schon immer bewundert, wie toll sie innerhalb weniger Minuten Menschen verschönern konnten. Und Ben, der Piercer den ich heute am allermeisten bewundere, sah mich an und unterbreitete mir das spannenste Angebot, das ich je bekommen habe: "Ich habe vor kurzem meine Auszubildende rausgeschmissen, weil sie viel zu faul geworden ist. Wenn du willst, kannst du ihren Platz haben."

Das war wohl der Moment, in dem ich begann, mir nichts mehr zu wünschen, als eine Piercerin zu werden. Ich wollte besser sein als diese Idioten, die mich bis jetzt immer gepierct hatten. Ben meinte, ich solle noch eine Nacht über sein Angebot schlafen, obwohl ich in diesem Moment schon am liebsten "JAAA!!!" geschrien hätte.
Also schlief ich eine Nacht darüber, rief ihn dann an und wir machten einen Termin für ein Gespräch aus, am Dienstag in der nächsten Woche. Zu dem ich aufgrund eines Bahnausfalls 15 Minuten zu spät kam. Ich war nervös, stammelte rum und brachte keinen vernünftigen Satz raus. Und trotzdem gab Ben mir eine Chance. Als ich ihn später mal danach gefragt hab, war seine schlichte Antwort: "Ich hab eben gleich dein Potential gesehen." Ich bin ihm immer noch wahnsinnig dankbar für diese Chance.

Am Montag darauf hatte ich meinen ersten Arbeitstag und wurde zur Auszubildenden im Bodyship, aber dazu komme ich in meinem nächsten Post!
Auch wenn ich es irgendwie wahnsinnig kitschig finde, das zu sagen: Dieser Tag, an dem ich das erste Mal Bens Laden betrat...irgendwie war das schon Schicksal. Und es waren die ersten Schritte auf dem Weg zur Body-Artistin. Wunderschöne, neue Schritte. Ich hatte ja an diesem Tag noch nicht die geringste Ahnung, dass auf mich viel mehr zukommen würde, als ich es je vermutet hätte.

Anne.

Samstag, 13. August 2011

Wie alles begann...

Viele werden sich wahrscheinlich schon bei meinem Begrüßungspost gefragt haben: Wie kommt man eigentlich dazu, Body-Artistin zu werden? Deswegen möchte ich euch erstmal etwas über mich erzählen!

Ich bin 19 Jahre und studiere derzeit Soziologie und Germanistik in Halle (Saale). Schon seit der fünften Klasse hatte ich mir immer ein Lippenpiercing gewünscht. Ich fand diesen Schmuck einfach schön und cool...aber meine Mutter war leider nicht sonderlich begeistert von so etwas. Deswegen musste ich warten, bis ich endlich 18 war, um mir ein erstes Piercing stechen zu lassen.
Es war natürlich mein gewünschtes Labret (Lippenpiercing), gestochen von einem guten Freund, eine wahnsinnig aufregende Sache für mich. Und wie es nun einmal ist (und davor wurde ich auch gewarnt, konnte es aber erst nicht glauben!), wird man nach dem ersten Piercing schnell süchtig. Bis jetzt konnte ich mich noch zusammen reißen, aber natürlich sind in den letzten zwei Jahren noch zwei Piercings dazu gekommen.
Das erste war ein Industrial. Dabei werden zwei sich gegenüberliegende Stellen am Helixknorpel, also den oberen Ohrrand, gestochen.
Der Druckschmerz beim Durchstechen des Knorpels ist für die meisten Menschen eher unangenehm, so war es auch bei mir.
Aber was ist der Schmerz, wenn man danach in den Spiegel schaut und sein neues Piercing bewundern kann? Und stolz sein kann, dass man den Schmerz überstanden hat, um sich zu verschönern?
Mein drittes Piercing war mein Nostril. Dieses verläuft durch den linken oder rechten Nasenflügel (in meinem Fall der rechte) und ist ein ziemlich häufig anzutreffendes Piercing.
Auch hier war der Schmerz auszuhalten. Durch die Verbindung der Nasen- und Augenregion verdrückt man aber meistens automatisch ein paar Tränchen. Ist ganz normal, keine Angst ;-) (Mädels, denkt dran, Make-up mitzunehmen, solltet ihr euch das stechen lassen wollen ;-))

Nun versuche ich ja, wie bereits im ersten Post erwähnt, eine Art Aufklärung zu geben, für die Personen, die Piercings immer noch ablehnen, bzw. die nicht verstehen können "warum Menschen sich Löcher ins Gesicht stechen lassen, um Metall reinzuhängen". (In meinem Nasenflügel und im Ohr trage ich momentan übrigens PTFE und kein Metall, aber das nur am Rande...).
Leider muss ich bei der Frage nach dem "warum" eine oft gesagte, für die meisten, verurteilenden Personen unbefriedigende Antwort geben: Ich finde es einfach schön.
Ihr tragt Ketten um den Hals, Bänder um die Arme, Schleifen und Spangen in den Haaren. Und so wie ihr trage auch ich meinen Schmuck. Nur auf eine etwas andere Art und Weise. Ganz einfach aus dem Grund, weil ich es faszinierend und schön finde.
Warum denkt ihr, dass euer Sinn für Ästhetik der richtige ist?

Glücklicherweise kann man sagen, dass die Gesellschaft toleranter geworden ist. Die meisten Menschen haben heutzutage ein Tattoo, kaum eine Frau läuft ohne Ohrringe herum. Sicher, ich habe schon oft den Satz gehört: "Ja, aber das ist doch was anderes!" Warum? Warum ist es etwas anderes? Warum ist es etwas anderes, wenn man sich Schmuck in die Ohren steckt, als wenn man sich Schmuck in die Lippe oder Nase machen lässt?
Die traurige Wahrheit ist: Eigentlich muss die Menschheit noch viel toleranter werden. Aber immerhin kann man sagen, wir sind schon auf einem guten Weg. Und man soll ja klein anfangen.

Anne.

Die Reise hat begonnen...

Liebe Leser und die, die es werden wollen!

In unserer heutigen Gesellschaft gibt es immer noch viele Vorurteile gegen die, die ihren Körper mit Tattoos, Piercings oder anderen Body Modifications schmücken.
Leider kennen diese verurteilenden Menschen selten die Hintergründe der Bodymods oder verstehen sie schlichtweg nicht. Sie können sich nicht vorstellen, dass man die Modifizierungen des eigenen Körpers mit Ästhetik und Kunst verbinden kann.

Seit drei Wochen habe ich die unglaubliche Möglichkeit, das Handwerk des Piercens und der Bodymods zu erlernen. Ich lerne die Menschen kennen, die sich ihren Körper verschönern wollen, erfahre ihre Hintergründe und ihre Geschichten. Ich treffe täglich interessante Leute und bekomme so einen wundervollen Einblick hinter die Kulissen.

Für diejenigen unter euch, die sich für die Hintergründe der Modificatons und die Arbeit von Body-Artisten interessieren, erzähle ich euch in diesem Blog von meinen Erlebnissen, Erkenntnissen und dem, was ich gelernt habe und noch lerne.
So werde ich in den nächsten Tagen erst einmal zusammen fassen, was ich in den letzten drei Wochen erlebt habe und dann fortführend von meiner Ausbildung und meiner Arbeit berichten!
Ich hoffe, damit etwas Licht ins unbekannte Dunkel zu bringen...

Stay modified,
Anne.