Was als Kind Angst gemacht hat, wurde die beste Art, sich auszudrücken

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Sonntag, 14. August 2011

Wie ich zur auszubildenden Body-Artistin wurde...


Es war Mittwoch, der 13. Juli, als alles begann. Vollkommen ungeplant.
Ich hatte am Morgen eine Klausur für die Uni geschrieben, sie war einigermaßen gut gelaufen und das sollte auch belohnt werden! Schon seit einiger Zeit hatte ich eine Spirale in meiner Lippe, die mir aber viel zu groß war. Also beschloss ich an diesem Morgen nach der Klausur, loszuziehen und mir eine neue zu kaufen, meine Freundin Antonia im Schlepptau.
Hier bei uns in Halle gibt es einige Tattoo- und Piercingläden. Wenn man keine Ahnung hat, probiert man eben aus, so war schon anfangs mein Motto gewesen. Drei Läden hatte ich bereits ausprobiert, diese Entscheidung hatte ich regelmäßig bereut. Im ersten Laden habe ich mir ein Tattoo stechen lassen, ein Spruch aus meinem Lieblingslied. Der Tätowierer hat ein Wort vergessen. Im zweiten Laden habe ich mir ein Industrial und ein Nostril stechen lassen, im dritten einen Ring ins Nostril setzen lassen. In beiden war es so, dass die Piercer entweder scheinbar keine Ahnung hatten, was sie da taten, oder wahnsinnig unfreundlich waren und mich abfertigten, als wäre ich kein echter Kunde, sondern irgendwas vom Fließband.
So etwas wollte ich nicht unterstützen und auch nicht wieder erleben. Sagen wir: mein Vertrauen zu Piercern und Tätowierern war ein bisschen gestört. Dementsprechend unsicher war ich auch, als ich den ersten Schritt in den vierten Laden in Halle setzte: "Sin City".
Das war der Tag und der Moment, in dem ich Ben das erste Mal traf, der Inhaber des Piercing- und Bodymod-Bereiches "BodyShip" im Laden "Sin City". Er schenkte mir ein freundliches Lächeln und machte sich damit sofort symphatisch. Ich wurde wahnsinnig nett aufgenommen, gleich zu Anfang, als wäre ich schon seit Jahren Stammkundin. Innerhalb weniger Minuten hatte ich eine perfekt sitzende Spirale in der Lippe und war so gut behandelt worden, wie noch nie in einem solchen Laden (was eigentlich traurig ist, aber so landete ich schließlich bei Ben!)
Schicksalhafter Weise (ich weiß, das klingt wirklich unglaublich kitschig, aber irgendwie sehe ich es doch so!) begann es in diesem Moment vor der Ladentür zu schütten wie aus Eimern und Ben bot uns an, eine Weile hinzusetzen und auf das Ende des Regens zu warten. Wir bekamen einen Kaffee und Ben setzte sich mit uns auf die Couch. Ich kam mit ihm ins Gespräch und wir redeten eine Weile über die Piercings, die ich mir noch wünschte. Er versuchte ein bisschen, mir ein Dermal Anchor aufzuschwatzen, worüber ich auch wirklich nachzudenken begann...und dann sagte ich einen Satz, der doch irgendwie einschlug wie eine Bombe: "Ich wünschte, ich könnte auch mal ein Piercing stechen. Das wär so cool."
Ja, ich hatte Piercer schon immer bewundert, wie toll sie innerhalb weniger Minuten Menschen verschönern konnten. Und Ben, der Piercer den ich heute am allermeisten bewundere, sah mich an und unterbreitete mir das spannenste Angebot, das ich je bekommen habe: "Ich habe vor kurzem meine Auszubildende rausgeschmissen, weil sie viel zu faul geworden ist. Wenn du willst, kannst du ihren Platz haben."

Das war wohl der Moment, in dem ich begann, mir nichts mehr zu wünschen, als eine Piercerin zu werden. Ich wollte besser sein als diese Idioten, die mich bis jetzt immer gepierct hatten. Ben meinte, ich solle noch eine Nacht über sein Angebot schlafen, obwohl ich in diesem Moment schon am liebsten "JAAA!!!" geschrien hätte.
Also schlief ich eine Nacht darüber, rief ihn dann an und wir machten einen Termin für ein Gespräch aus, am Dienstag in der nächsten Woche. Zu dem ich aufgrund eines Bahnausfalls 15 Minuten zu spät kam. Ich war nervös, stammelte rum und brachte keinen vernünftigen Satz raus. Und trotzdem gab Ben mir eine Chance. Als ich ihn später mal danach gefragt hab, war seine schlichte Antwort: "Ich hab eben gleich dein Potential gesehen." Ich bin ihm immer noch wahnsinnig dankbar für diese Chance.

Am Montag darauf hatte ich meinen ersten Arbeitstag und wurde zur Auszubildenden im Bodyship, aber dazu komme ich in meinem nächsten Post!
Auch wenn ich es irgendwie wahnsinnig kitschig finde, das zu sagen: Dieser Tag, an dem ich das erste Mal Bens Laden betrat...irgendwie war das schon Schicksal. Und es waren die ersten Schritte auf dem Weg zur Body-Artistin. Wunderschöne, neue Schritte. Ich hatte ja an diesem Tag noch nicht die geringste Ahnung, dass auf mich viel mehr zukommen würde, als ich es je vermutet hätte.

Anne.

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